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Mirka - Das Lied der Befleckten


Eingesprochen von Shanajanh Thamar

 

Die Tollgunder hatten schon ein je her Angst vor Zauberei. Man wollte nichts mit den Hexen und Schwarzsehern zu tun haben und jagte sie aus der Stadt. Doch die Hilfe der Fjelva nahmen viele in Anspruch. Vielleicht lag es daran, dass die Fjelva nie in die Stadt kamen.

Vielleicht lag es eher daran, dass die Magie als sauber galt – und ein jeder Geschichten kannte wie: „Meinem BruVor knapp 500 Jahren gründeten die ersten Siedler auf diesem fruchtbaren Land Gründelschwinge.

 

Ihr friedliches Leben wurde aber gestört: Von den Tríel, die man aber nur die „Farblosen“ oder „Befleckten“ nannte. Diese Wildlinge behaupteten schon länger hier zu leben, ja, Gründelschwinge läge genau auf ihrem „heiligen“ Boden.

 

Einige Silurier behaupten heute noch, dass diese Wesen sogar Menschen seien. Sie sahen aus wie Menschen – auch wenn sie sehr weiße, fleckige Haut und rote Augen hatten. Aber die meisten Gründelschwinger zählten sie zu den Anderlingen, da sie alle zaubern konnten. Jeder Tríel war von Geburt an eine Hexe oder ein Schamane. Wahrscheinlich haben sie sich nur als Menschen getarnt, damit die Siedler mehr Mitleid mit ihnen haben sollten. Zum Glück waren die Menschen gefeit gegen Mitleid.

 

In der „Mondschlacht“ – oder der „Schlacht um Gründelschwinge“ – kam es zur entscheidenden Auseinandersetzung: Genau zwischen Gründel und Schwinge hatten sich die Tríel verschanzt – um ihren „heiligen“ Boden zu schützen. Oder, um genau dort ihre dunkle Kraft zu beziehen?

 

Der große Feldherr und General Krähber führte die tapferen Soldaten des Reiches an. Seine Geduld mit den Befleckten war zu Ende: Wie konnten diese Wildinge es wagen, sich genau zwischen Gründel und Schwinge breit zu machen?

 

Die Schlacht entbrannte am Tage und als sie endete, leuchtete nur der volle Mond. Die Kämpfe waren zäh, denn die Befleckten nutzten finstere und heimtückische Zauber.

Doch der Wagemut und die Entschlossenheit der Siedler war am Ende stärker! Trotz hoher Verluste konnte alle Tríel erschlagen werden.

 

Erst später stellte sich heraus, dass die Soldaten einen hohen Preis zu zahlen hatten:

 

Viele der Frauen und Männer sollten Albträume und Krankheiten bekommen haben. Kaum einer traute sich das Schlachtfeld zu betreten. Und die wenigen, die es doch versuchten, kamen völlig irr zurück. Die meisten von ihnen musste man einsperren und davon abhalten, sich selbst die Augen auszukratzen. Die verdammten Tríel hatten nicht nur die Soldaten, sondern auch den Boden verflucht! Das Land, was jetzt Gründel und Schwinge trennt.

 

Erst Jahre später fanden einige neue Siedler heraus, dass es einen Weg gab, um auf die andere Seite zu gelangen: Man musste sich die Augen verbinden und vorsichtig über das Feld herüberschleichen. „Sie ganz leiste. Flüstere nur selten. Bewege dich langsam. Dann lausche! Schleiche weiter. Aber bleibe niemals zu lange stehen! Und renne nicht! Und kämpfe nicht gegen die Geister, die an deinem Leib zerren…“

 

Die Verräterin Mirka

 

Die Geschichte wäre ohne die Mirka, die Verräterin, nicht vollständig: Mirka Weitauge war eine 18-Jährige Bogenschützin aus Grabwinden, die mit den Befleckten im Bunde stand. Heimlich besuchte sie die Sippe der Tríel, um ihre „Kultur“ besser verstehen zu können. Tatsächlich schlich sich Mirka in der Nacht vor der Mondschlacht in das Lager der Feinde – um die Pläne des Generals zu verraten.

 

Sie wurde beobachtet, wie sie am Lagerfeuer der Tríel saß und mit ihnen gemeinsam ein Lied sang:

 

„Hinter toten Wäldern, an einem fernen Ort

 

klingt dieses Lied; trägt dich von hier fort.

 

 

Wohin wirst du gehen in diesem roten Land?

 

Hat er dich gesehen? Gib Acht, du wirst erkannt!

 

 

In den toten Wäldern ruft ein toter Baum.

 

Legst du dich dort hin, verschlingt dich dieser Traum!“

 

Am nächsten Morgen ließ General Krähber sie trotzdem in der Schlacht kämpfen. Er wollte es mit eigenen Augen sehen, wieweit ihr Verrat gehen würde. Und siehe, die Bogenschützin schoss in der Mondschlacht in die Rücken ihrer Waffenschwestern und -brüder!

 

Nach dem Sieg versammelten sich alle auf dem Marktplatz von Gründel. Bevor Mirka als Verräterin hingerichtet wurde, sang sie noch einmal das Lied der Befleckten. Kein Soldat konnte sie daran hindern – ein Beweis, dass auch sie verflucht war. Oder gar eine Hexe?

 

Als das Lied verstummte, stach man ihr in den Rücken – so wie man es jeher mit Verrätern getan hatte. Sie brach auf allen Vieren zusammen. Dann zog General Krähber langsam einen Dolch einen Dolch. Einen stumpfen, schmutzigen Dolch – um ihn in ihren Hals zu stechen. Noch bevor sie starb, gingen die Soldaten in die Taverne, um zu feiern. Mirka, die Verräterin, verblutete wie geschlachtetes Schaf. Ganz langsam. Und allein.

 

Die Alten behaupten, „das Blut der Mirka“ könne man heute auf dem Marktplatz von Gründel sehen.der haben sie das Leben gerettet. Ich schwöre, seine Pfeilwunde hatte sich so entzündet, das Fieber hätte ihn sonst hingerafft!“

Besonders schwer krank war die kleine Lischa, die Enkelin der Tuchhändlerin. Sie hatte eine seltene Krankheit – manche sagen, ein Fluch habe die Familie getroffen: Ihr Rücken war immer offen, so dass sie Ihrer Großmutter nicht im Geschäft helfen konnte. Während andere Kinder spielten oder schuften mussten, lag sie nur auf dem Bauch. Und weinte fürchterlich den ganzen Tag.

Doch als Lischa im Sterben lag, überwand sich die alte Tuchhändlerin und suchte die Fjelva auf. Auch die Macht der Fjelva schien begrenzt, denn sie konnten den Fluch der kleinen Lischa nicht brechen – ihr wohl aber Linderung verschaffen.

So wanderte die Großmutter mit der kleinen Lischa jeden Morgen in den Wald. Die jüngste der Knochen Feen - Sanfteslied - begrüßte sie immer freundlich und jeden Morgen wusch und reinigte sie die offenen Wunden von Lischa. Auf dem Hinweg ging das kleine Mädchen noch krumm und stolperte mehr des Weges. Auf dem Rückweg rannte sie wie der Wind durch den Wald. „Nicht so schnell, Lischa! Die Schwarztrolle werden dich noch holen, wenn du so laut bist!“

Doch damals gab es keine Phalwargs im Wald der Tränen.

Als vor fast 200 Jahren die Fjelva verschwanden, verstarb Lischa bald. Sie und Ihre Großmutter waren die letzten, die die Fjelva gesehen haben.

Der verrückte Kesselficker behauptete zwar, sie seien immer noch da – nur versteckten sie sich. Aber kein Waldläufer oder Jäger kann das bestätigen.

Weisse Nebel in den Zweigen wie ein Hauch so hell und zart

Reines Leben, jeden Wesens – alles folgt dem alten Pfad

Friedlich liebend miteinander ist die Zeit in dieser Welt

Niemand wird dem anderen schaden – solang das Licht das Licht erhellt

Die Dunkelheit kam langsam schleichend.

Die Menschen wollten göttlich sein

Doch mit dem Gottsein kam ein Schatten

und auch er war nur ein Keim.

Keim des Dunklen – Keim des Bösen

Verschlang die Liebe – Fraß das Licht

Anthera schwand mit jedem Schatten – Können wir zurück? Ich weiß es nicht.

Die Nebel des Vergessens:

All das ist nun schon lange her.

Die Fjelva gehören in die Zeit, in der alles noch hell und weiß war. Die Zeit, bevor sich Land und Menschen von den Nebeln bedroht fühlten. Die Menschen lebten in Frieden und Liebe mit der Natur.

Die Fjelva, waren die guten Wesen des Waldes. Die Wesen der weißen Welt.

Die Nebel verdichteten sich mehr und mehr. Sie belegten die Herzen und die Gedanken der Fjelva, so wie auch die der Menschen. Immer mehr Menschen begannen zu vergessen.

Erst ihre eigene Geschichte. Ihre eigene Vergangenheit. Dann ihre Verbindung zur weißen Welt.

Und zuletzt vergaßen sie sogar die Liebe.

So sehr die Fjelva es auch wollten. Sie konnten sich selbst und die Menschen nicht vor dem Nebel und der dahinter drohenden Dunkelheit schützen.

Es gab für sie nur einen Weg. Sie mussten das Tor schließen und mit ihm die Verbindung der Menschen zur weißen Welt zerstören.

So geschah es. Als der Nebel eine Dichte angenommen hatte, durch die man kaum blicken konnte, schloss sich das Tor.

Die Fjelva verschanden dahinter. Mit ihnen die Talbe und das Licht der Wälder.

Heute zeugt nur noch ein weißer, kleiner Ort im Wald von den damaligen Geschehnissen.

Die Wälder werden immer bedrohlicher und dunkler. Doch es gehen Geschichten umher. Geschichten von feengleichen Gestalten, die wortlos durch die Wälder wandeln. Jedes Jahr um diese Zeit werden sie vermehrt gesehen.

In den vergangenJahren wurden Gesänge und seltsame Tänze in den Wäldern beobachtet.

Es gibt noch einen anderen Teil der alten Geschichte. Ein Gerücht, welches besagt, dass nicht alle Fjelva fort sind. Dass einige von ihnen geblieben sind, um uns Menschen nicht völlig uns selbst und der Dunkelheit zu überlassen.

Einige haben sich geopfert. Sie opferten ihre Verbindung zur weißen Welt, um in der Menschenwelt zu bleiben und das Tor zu öffnen, wenn es soweit ist."


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